Historisch III: DFB gründet die Futsal-Nationalmannschaft der Herren



Das ist mit Sicherheit DIE Nachricht des gestrigen Tages für die ‪ganze ‎Futsal‬- und auch die ‪‎Fußball‬-Szene in ‪‎Deutschland‬ gewesen - ein schönes Geschenk vor Nikolaus für alle Anhänger des Hallenfußballs mit sprungreduziertem Leder nach internationalem Regelwerk ... aber auch eine große Verpflichtung:

 

Nochmal drüber geschlafen, sich beim erneuten Lesen kurz gekniffen und: JA! Es ist tatsächlich wahr geworden - das, was alle Aktiven und Verantwortlichen seit den ersten Futsal-Schrittchen hierzulande (um 2001/2002) erträumt und erhofft hatten:

 

Der ‪DFB, als oberster Verwalter des Futsals in Deutschland,‬ hat gestern per Präsidiumsbeschluss entschieden, bereits 2016 eine echte, offizielle Deutsche Futsal-‪Nationalmannschaft‬ (zunächst nur für die Herren) zu gründen! Wahnsinn!!!

Erster (und zweiter) Bundestrainer und Fahrplan

Zunächst übernehmen DFB-Basisfußballtrainer und Futsal-Verantwortlicher Paul Schomann mit seinen Co-Trainern Daniel Gerlach (Futsal Panthers Köln) und Wendelin Kemper (UFC Münster) den "Job" des allerersten Futsal-Bundestrainerteams.

 

Bis zum Februar 2016 möchte der DFB darüber hinaus aber einen international erfahrenen (renommierten?) Futsal-Nationalcoach präsentieren, wie nachzulesen ist. Diese internationale Fachkraft könnte dann, mit einem (neu) aufzustellenden Futsal-"System" für Deutschland, nicht nur das "sinnstiftende" Nationalteam, sondern auch die gesamte deutsche Futsal-Szene inhaltlich nach vorne zu bringen. Immerhin gilt es, behutsam aber beständig, den jahrezehntelangen Vorsprung der übrigen Futsal-Welt in Theorie und Praxis allmählich, Schritt für Schritt "aufzuholen" - Ein Fakt, der immer wieder von Kommentatoren aus der "Szene" angesprochen wurde und wird (siehe auch den folgenden Kommentar "Status quo und Perspektive(n)").

 

Geplant ist, dass die neue Nationalmannschaft (neben ersten Länderspielen ab April 2016) im Jahr 2017 auch an der Qualifikation für die UEFA Futsal EURO 2018 teilnehmen soll! Ein ambitioniertes Ziel, das, ergebnisoffen gedacht, sicherlich ein sinnvoller Reizpunkt ist, um die Ernsthaftigkeit der Entwicklung zu untermauern.

 

Ein wichtiger Bestandteil beim Aufbau des allerersten Kaders wird natürlich das allgemeine Scouting in den noch verstreuten Landes-, Verbands- und Regionalligen sein. Aktuell gibt es geschätzte 200 Futsal-Teams in ganz Deutschland, Tendenz zuletzt (gefühlt) rapide steigend!

 

Ganz sicher wird aber auch der dritte DFB Futsal-‪‎Länderpokal‬, der vom 14.-17.01.2016 erneut in der Sportschule Wedau zu Duisburg ausgetragen wird, noch stärker in den Fokus des Interesses rücken. Bei diesem Turnier spielen ‪Futsal-Auswahlmannschaften‬ von allen 21 DFB-Landesverbänden den Pokal nach den (für das Turnier leicht modifizierten) international gültigen ‪Hallenfussball‬-Regeln aus. Ein neuer Einblick in den Leistungsstand unter den wohl bundesweit besten Hallenkickern für die Szene und interessierte Zuschauer (der Eintritt in die Hallen der Sportschule Wedau ist frei!).

Von Ablehnung über Akzeptanz zur "Explosion"?

Unterdessen "explodiert" die Nachricht in der deutschen Presselandschaft deutlich stärker als vorherige Futsal-Ereignisse. Ein schönes, aber auch noch ungewohntes Erlebnis, dass es plötzlich wohl deutlich mehr Interesse an unserer "kleinen" Weltsportart gibt ... bislang war dies höchstens mal in den Wintermonaten der Fall und dann zumeist auch eher mit negativer Stimmung (z.B. die Aufregung um die "Zwangsverpflichtung" zum Futsal im Winter 2014/15 u.a. in der FAZ). Freuen wir uns also über das gute Feedback und schauen wir gespannt, wie und ob es anhält:

 

DFB.de: DFB gründet Futsal-Nationalmannschaft

DFB.de: Erstes offizielles Futsal-Länderspiel 2016

WFLV.de: Futsal-Nationalmannschaft schafft Idole


RP-Online.de: Auswärtsspiel für den DFB in Düsseldorf

Sport1.de: Der DFB gründet eine Futsal-Nationalmannschaft

Focus.de: Hallenfußball im Trend

Welt.de: Futsal-Team für Deutschland

N24.de: DFB gründet Nationalmannschaft für Futsal

RuhrNachrichten.de: DFB gründet neue Nationalmannschaft

Goal.com: DFB gründet Futsal-Nationalmannschaft

Sport.de: DFB gründet Futsal-Nationalmannschaft

RP-Online.de: DFB gründet Futsal-Nationalmannschaft

Abendblatt.de: DFB sichtet zwei Hamburger für neues Nationalteam

WN.de: Deutsche Futsal-Nationalmannschaft - Große Sache mit kleinen Ball

MisterFutsal.de: DFB gründet Futsal-Nationalmannschaft, und nun?

Web.de: DFB gründet Futsal-Nationalmannschaft

11Freunde.de: DFB gründet Futsal-Nationalteam

YahooSports.de: DFB gründet Futsal-Nationalteam

ZDFsport.de: Kicken wie Messi und Meyer

Fussballn.de: Die DFB-Fünf kommt

Welt.de: Endlich bekommt Deutschland eine Nationalmannschaft

Kommentar: Status quo und Perspektive(n)

Viele hatten schon gar nicht mehr davon zu träumen gewagt, als der DFB ausgerechnet direkt nach der (damals inoffiziellen) Meisterschaft "DFB Futsal-Cup" 2011 seine Bemühungen um "unseren" Futsal-Sport auf Eis legte. Nun folgt er doch: Ein - im Vergleich zum aktuellen Stand der Dinge in der "Szene" - Quantensprung auf die internationale Futsal-Bühne, auf der sich die übrigen großen Fußball-Nationen teilweise bereits seit Jahrzehnten tummeln. Das ist gut, wichtig und richtig, um ein "Zugpferd" für den Sport zu haben, der sicherlich auch hierzulande eine (große?) Zukunft hat.

 

Woran sich das zuletzt sehr erfolgsverwöhnte Fußball-Deutschland bei den ersten Gehversuchen in Sachen Futsal wahrscheinlich gewöhnen muss, ist ein voraussichtlich sehr harter Weg in Richtung Spitze. Viele Rückschläge in Form von Niederlagen und Nicht-Qualifikationen zu großen Turnieren sind zu erwarten. Doch dieser Weg wird sicherlich ein (auch sportwirtschaftlich) lohnender sein, mag er auch seine Zeit dauern. Denn es ist sicherlich ein wenig utopisch zu glauben, dass ein Sprung in die relevante internationale Leistungsspitze in weniger als (schätzungsweise) zehn Jahren zu schaffen sein wird.

 

Geduld und langer Atem sind gefragt, sowie eine Unterstützung für die leidenschaftlichen Verfechter des international anerkannten Hallenkicks. Ohne den Enthusiasmus der Pioniere wäre Futsal womöglich immer noch ein Sport, der in Deutschland maximal über YouTube-Videos "von außen" bestaunt würde.

Aber aufgrund der "Pionier"-Aktivitäten seit ca. 2002 sind wir hierzulande aktuell auf einem Stand, der Folgendes (noch nicht) bieten kann:

 

Zwischen 100 und 200 Teams von 100 bis 150 Vereinen/Abteilungen spielen im Herren-Erwachenenbereich regelmäßig (d.h. wöchentlich, zweiwöchentlich oder zumindest über das ganze Jahr verteilt) Futsal, immer mehr in kleineren oder mittelgroßen Ligenstrukturen auf Landes- bis Regionalverbandsebene. Vereinzelt bilden sich erste Frauen-Futsal-Mannschaften, aber aufgrund der fehlenden Strukturen nicht nachhaltig, abgesehen (aktuell) von NRW. In anderen Regionen gibt es gelegentliche Verbands-Futsal-Turniere für Jugendliche oder Frauen, für Erwachsene werden Turniere meist von Vereinen in Eigenregie ausgerichtet. In manchen Regionen spielen auch die "Feldfußballer" bei einigen von ihren alljährlichen Hallenturnieren nach (größtenteils modifizierten) Futsal-Regeln. Es gibt eine (inzwischen) offizielle Deutsche Futsal-Meisterschaft in Turnierform. Der Deutsche Futsal-Meister darf seit geraumer Zeit an der Qualifikationsrunde zum UEFA Futsal-Cup (der Champions League des Sports) teilnehmen. Einzelne Studententeams (Männer und Frauen) deutscher Hochschulen nehmen an den Europäischen Universitätsmeisterschaften im Futsal teil, es existiert darüber hinaus eine Studenten-Nationalmannschaft der Herren. Dazu gibt es, ebenfalls für die Herren, das inzwischen jährliche DFB-Landesauswahlturnier, gelegentliche Testspiele der einzelnen Auswahlen und bald eben die Nationalmannschaft.

 

Dagegen (und gerade auch für den "großen Sprung") fehlt es hierzulande aber einfach noch der "Breite" und auch an der "Spitze". Es fehlt an Ligen/Strukturen, aber dafür zunächst auch an Vereinen/Teams, die in Ligen antreten wollen/können. Und für mehr Vereine fehlen dann nicht zuletzt noch aktive Spieler (und dabei geht es nur um den status quo bei erwachsenen Männern - bei Frauen und/oder Jugendlichen steht Deutschland noch an bzw. vor der Startlinie). Es ist immer noch eine zahlenmäßig überschaubare Breite an Aktiven, die sich mit Futsal praktisch und theoretisch intensiv und längerfristig auseinandersetzen möchten (zumindest parallel zum Fußball, aufgrund der doppelten Spielberechtigung). Viele kennen den Sport noch gar nicht oder nur passiv und wissen nicht, dass man in Deutschland bereits an (zunehmend) vielen Orten aktiv Futsal spielen kann.

 

Eine Vielzahl der aktuell verfügbaren Spieler im aktuellen Ligabetrieb kommt "just for fun", hat gar keine (vereins)fußballerische Ausbildung genossen oder nur eine begrenzte Zeit in Vereinsteams Fußball gekickt. Dazu gibt es jene, die Futsal "nebenbei" spielen, während sie sich hauptsächlich mit Feldfußball beschäftigen. Im "Breitensport"-Bereich, also bei den "just for fun"-Kickern ist der Zulauf (zumindest dem Eindruck nach) stetig und auch leicht steigend. Das ist wichtig, um eine Basis für den allgemeinen Trainings-/Spielbetrieb in den bestehenden Vereinen/Abteilungen zu gewährleisten. Fußballerfahrene Kicker, die sich voll spezialisieren möchten, sind erst im Kommen. Sie könnten die schon vorhandenen Teams auch auf einem höherem regionalen/nationalen Leistungslevel wettbewerbsfähig machen, neue Teams entstehen lassen und somit letztlich, zusammen mit den "just-for-fun"-Kickern für eine größere Ligenstruktur sorgen. Somit müssen die Futsal-Vereine aktuell zum größten Teil für die Ausbildung der futsalerischen und fußballerisch-technischen Grundlagen im Erwachsenenbereich sorgen.

 

An dieser Stelle hat Deutschland einen großen Bedarf an futsalspezifischer Trainerausbildung bzw. -fortbildung. Interessierte Ehrenämtler müssen fachlich befähigt werden können, einen Trainerjob in Sachen Futsal auszuüben. Dies muss einigermaßen kostengünstig und relativ wohnsitznah möglich sein. Die Zahl der durch gelegentliche Workshops oder (seltenere) ausführliche Lehrgänge befähigten Personen ist noch äußerst gering, zu gering, um einen Trainingsbetrieb in einer größeren Breite zu bewerkstelligen oder eine Nachfolge (bei Rücktritten oder Ausscheiden) zu gewährleisten. Noch viel geringer ist die Zahl der Personen, die (aus privatem zeitlichem/finanziellen Engagement) im europäischen oder außereuropäischen Ausland Workshops oder Ausbildungen besuchen (können). Ausgebildete, erfahrene ausländische Trainer kann sich aktuell so gut wie kein Futsal-Verein/-Abteilung (finanziell) leisten, obwohl das Interesse und die Anfragen von solchen Personen stetig ist.
Das private Selbststudium über Bücher oder (Online)Videos oder das beiläufige "beim Training/Spielen-Aufschnappen" ist für deutsche Futsal-Begeisterte (leider) immer noch die vorrangige "Ausbildung" hierzulande, auch für diejenigen, die bereits die genannten Workshops/Lehrgänge besuchen konnten. Darum muss es (mehr) von beidem geben: Eine grundlegende Futsal-Trainerausbildung für diejenigen, die Basis- oder Jugendtrainings übernehmen möchten und sinnvoll weiterführende Futsal-Trainerfortbildung für diejenigen, die bereits im Ligabetrieb aktiv sind.

 

Zusätzlich hinderlich für eine (schnellere) Entwicklung der Futsal-Szene in Deutschland ist aktuell das Fehlen bzw. die schwierige Zugänglichkeit von geeigneten Hallen/Hallenzeiten, in denen Futsal gespielt werden kann/darf, in vielen Städten. Somit sehen sich viele motivierte Teams/Vereine/Spieler in Situationen ohne Halle, mit zu kleinen Hallen oder mit zu wenigen oder unattraktiven Hallenzeiten konfrontiert. Den Herren-Trainings- und Spielbetrieb zu fördern, wird auch durch diesen Umstand erschwert - an Frauen- oder Jugendausbildung "auf eigene Faust" ist hier noch kaum zu denken.

 

Die große Hoffnung, die in der Futsal-Szene mit der Nachricht von der Schaffung einer Futsal-Nationalmannschaft verbunden wird, ist daher oft, dass auf diesem Weg mehr Interesse für diesen Sport auch bei aktiven Fußballern hervorrufen wird oder zumindest bei den Verantwortlichen  in vereinen/Städten die bestehenden Ängste/Ablehnungshaltungen (zumeist aus Unwissenheit) nach und nach besser abgebaut werden können. Wird der Futsal in Deutschland "sichtbarer", dann bestehen neue Chancen, engagierte, gut ausgebildete Rasenkicker mit Hallenaffinität zu gewinnen, denen trotz ihrer taktischen/technischen Qualitäten ein "Durchbruch" in höhere Leistungsebenen des Feldfußballs verwehrt bleibt. Sie haben jetzt im Futsal eine weitere Chance, die eigene Aktivenkarriere am Ball mit Aufstiegschancen bis hin zum Nationalspieler fortzuführen. Die Nachrichten um das Nationalteam bieten aber eben auch die Chance, dass sich in den Fußballverbänden und Vereinen der nachwievor weit verbreitete Widerstand gegen den Sport und die damit verbundene Schaffung von (Ausbildungs-)Angeboten und Organisationsunterstützung etwas schneller legen kann. Die Schaffung von mehr Platz in den städtischen Hallen wird allerdings auch auf diesem Weg über Jahre kompliziert bleiben.

 

Denn nicht zuletzt fehlt es, im regionalen bis internationalen Vergleich, an den finanziellen Mitteln (über mehr Vereinsmitglieder und besonders über engagierte Sponsoren), um den Futsal-Sport infrastrukturell, ausbildungstechnisch und letztlich auch personell nachhaltig in die Breite und in der Folge an die Spitze zu führen. Denn nachwievor wird das Gros der Organisations-, Trainings-, Öffentlichkeits- und Spielarbeit im deutschen Futsal vor Ort und regional vor allem durch (idealistische) Ehrenämtler ohne Aufwandsentschädigungen etc. geleistet, die ihre Überzeugung für den Sport in eine reguläre Arbeits-, Ausbildungszeit- und Familiennebentätigkeit zwängen.

 

Diese Futsal-"Aficionados", das aktuelle deutsche "Fachpublikum" bzw. die Aktiven des Futsals in Deutschland sind sich sehr bewusst, dass "unser" Futsal noch einen weiten Weg vor sich haben wird. Doch dieser Abstand ist der Futsal-Szene aller Unwegbarkeiten zum Trotz eher Anreiz als Abschreckung. In Geduld üben sich die "alten Hasen" auf diesem gebiet schon länger und Geduld ist auch dem Publikum geboten - ebenso aber der Wille, jede sich bietende Chance aktiv zu erkennen und zu nutzen. Vieles ist möglich, das wurde in der Vergangenheit schon mit relativ bescheidenen Mitteln gezeigt. Aber um das Projekt Futsal-Deutschland nun noch stärker auf die Füße zu stellen, müssen die o.g. Punkte nach und nach von möglichst vielen Seiten angepackt werden, um einem an einigen Stellen drohenden organisatorischen und wissenstechnischen Einbruch etwa durch ein "Abtreten" oder "Nachfolgeprobleme" der "alten Hasen" zuvor zu kommen. Denn Futsal-Deutschland braucht, wie gezeigt, mehr Kräfte um die Lücke zu schließen. Und wie groß dieser Abstand ist, dazu muss man nur einmal einen kurzen Blick auf die Organisationsstrukturen neben dem Platz und die Qualitäten der aktuellen Vereins- und Nationalmannschaften und die schiere Masse an Spielerpotenzial aus langjähriger Jugendausbildung in den Futsal-Vorreiternationen werfen. Im Grunde wird es Deutschland im Futsal zunächst ähnlich ergehen wie es kleineren Fußballnationen ergeht, die sich bemühen möchten, dem aktuell äußerst erfolgreichen deutschen Fußball(ausbildungs)vorbild nachzueifern. Aber es wird sich lohnen, wie es sich bis hierhin auch schon gelohnt hat.

 

 

(kristoff gött, 05.12.2015 und spätere Aktualisierungen der "Presseschau")